Lena Ludwig vom SSKC Poseidon schwimmt in den Nationalkader 2 – Ein Doppelinterview mit der 13-Jährigen und Trainer Tom Ehrhardt

Jetzt ist es amtlich: Mit zwei im Oktober auf der 50-m-Bahn erzielten Superzeiten im Brustschwimmen schaffte Lena Ludwig vom SSKC Poseidon den Sprung in den Nationalkader 2 des Deutschen Schwimm-Verbandes. Gemeinsam mit Trainer Tom Erhardt spricht sie Im Doppelinterview über diesen Erfolg.

Die Voraussetzungen für den Sprung in den Nationalkader 2 erfüllte Lena Ludwig bereits beim stark besetzten Herbstschwimmfest des SV 05 Würzburg. Dort glänzte die 13-Jährige mit zwei Siegen in der offenen Klasse; am Vormittag steigerte sie ihre Hausmarke über 100 m Brust auf 1:15,75 Minuten (606 Punkte) und ließ am Nachmittag auf der doppelten Distanz mit einer Steigerung ihrer Hausmarke um zwölf Sekunden sensationelle 2:41,38 Minuten folgen (640). Damit war sie zum Vergleich erheblich schneller als Ursula Happe (2:53,1), bei deren Olympiasieg 1956 in Melbourne und unterbot auch noch knapp die Zeit der 1972 in München siegreichen Amerikanerin Beverley Whitfield (2:41,71).

Mit Lena Ludwig und ihrem Trainer Tom Ehrhardt führte unser Medienhaus das folgende Interview:

Schwimmer beginnen mit ihrem Sport oft schon in ganz jungen Jahren. Wie bist Du zum Schwimmen gekommen?

Lena Ludwig: Als ich jünger war, haben wir im Sommer viel Zeit im Poseidon verbracht. Hannah, meine große Schwester, hat damals bei Svenja Lotz trainiert. Diese hat mich zum Vorschwimmen eingeladen. Bevor ich im Mai 2013 mein erstes Schwimmtraining besuchte, habe ich getanzt und in der SG Strietwald geturnt. Ich hatte aber schon immer viel Spaß am Schwimmen.

Sicher kannst Du Dich noch an Deinen ersten Wettkampf erinnern?

Lena Ludwig: So ganz genau nicht. Aber ich glaube, es waren die AB-Open 2013 im Stadtbad. Ich war damals sechs Jahre alt und bin 25 m Brust geschwommen.

Vor zwei Jahren hattest Du Dich erheblich verletzt. Was war passiert und was die Folgen?

Lena Ludwig: Das ist eine dumme Geschichte: Ich wollte etwas vom Schrank herunterholen. Statt mir einen Stuhl zu holen, bin ich hochgeklettert, bei der Landung umgeknickt und habe mir meinen linken Mittelfußknochen gebrochen. Acht Wochen durfte ich keinen Sport ausüben. Das war eine sehr schlimme Zeit.

Oft ist es nicht einfach, alles unter einen Hut zu bekommen.
Bis zu den ersten Wettkämpfen dauerte es geraume Zeit. Im Januar 2020 jedoch warst Du im Poseidon-Team, das an einem großen Schwimmevent in Aschaffenburgs französischer Partnerstadt Saint-Germain-en-Laye teilnahm. Sicher ein tolles Erlebnis!

Lena Ludwig: Es war eine dreitägige internationale Großveranstaltung. Wir fuhren mit dem Zug und übernachteten im Hotel. Die Wettkämpfe wurden in einer großen Schwimmhalle ausgetragen – mit 50-m-Becken, elektronischer Zeitmessanlage und riesiger Anzeigetafel. Ich war für sechs Rennen gemeldet und bin mehrere persönliche Bestzeiten geschwommen. Im Brustschwimmen erreichte ich die Finalläufe über 50 und 100 Meter. Am Ende des ersten Tages wurde ich überrascht, als ich über die Lautsprecher meinen Namen hörte. Ich wurde mit einer Goldmedaille ausgezeichnet, wohl für die wertvollste Leistung, weil ich so jung war.

Ich habe auf einem Mannschaftsfoto einen Teil dieser Schwimmhalle im Hintergrund gesehen. Was meinst Du zu einer solchen Wettkampfstätte in Aschaffenburg?

Lena Ludwig: O ja, das wäre super-cool!

Schwimmen als Wettkampfsport erfordert einen großen Zeitaufwand. Du besuchst das FDG, wirst also auch schulisch gefordert. Wie schaffst Du das?

Lena Ludwig: Oft ist es nicht einfach, alles unter einen Hut zu bekommen. Vormittags Unterricht mit vielen Fächern, darunter mit Englisch und Französisch zwei Fremdsprachen, die mich viel Zeit kosten. Am Nachmittag stehen dann die Hausaufgaben an, schriftliche, Vokabeln lernen und wiederholen. Danach bleibt kaum freie Zeit, denn am frühen Abend stehen Wassertraining, Athletik, Stabilisation und Dehnen auf dem Programm, jeweils verbunden mit den Fahrten zu den Trainingsstätten und zurück. Aber durch die Unterstützung meiner Familie klappt das ganz gut. Schule geht immer vor, obwohl ich ungern Training ausfallen lasse.

Vom großen Schwimmsport hat man zuletzt wenig mitbekommen. Hast du ein Vorbild?

Lena Ludwig: Nein.

Du gehörst zu den besten Brustschwimmerinnen des Jahrgangs 2007 in Deutschland und warst 2020 mit 2:41,38 Minuten auf Rang eins der Rangliste. Was sind Deine Ziele für 2021?

Lena Ludwig: Nachdem ich letztes Jahr aufgrund von Corona leider nicht zu den deutschen Meisterschaften fahren konnte, fände ich es schön, wenn es dieses Jahr klappen würde.

Lena ist die erste Schwimmerin des SSKC Poseidon, die in den Nachwuchskader 2 des Deutschen Schwimm-Verbandes aufgenommen wurde. Wie hat sie diesen Schritt dorthin geschafft?

Tom Ehrhardt: Das ist nicht ganz richtig. Lena ist eigentlich die zweite, nach Nika Steigerwald. Nika wurde damals aufgenommen, weil sie als Starterin für den SSKC Poseidon den zweiten Platz bei den deutschen Jahrgangsmeisterschaften erreicht hatte, so Jugend- Bundestrainer Carsten Gooßes. Durch ihren Wechsel nach der Saison zur SG Frankfurt wurde sie dann unter ihrem neuen Verein dort aufgelistet. Lena hat im Oktober letzten Jahres zwei Normzeiten (100 und 200 Brust) für den NK 2 unterboten. Sie ist somit zwar nicht die erste, die durch die allgemein gute Trainingsarbeit von Poseidon in den Bundeskader aufgenommen wurde, jedoch die erste, die dadurch unter unserem Vereinsnamen gelistet wurde.

Wie kommt es, dass beide weiblich und die Quali über das Brustschwimmen geschafft haben? Worin unterscheiden sich Lena und Nika?

Tom Ehrhardt: Das Brustschwimmen ist nach meiner Auffassung die komplexeste Schwimmart, um diese richtig schnell schwimmen zu können. Da ich Herausforderungen liebe und für mich alles logisch zu erklären sein muss, denke ich, dass ich mittlerweile die Komplexität des schnellen Brustschwimmens den Sportlern gut vermitteln und auch optimieren kann. Dass beide weiblich sind, ist wohl eher Zufall. Nika und Lena unterscheiden sich schon erheblich in ihren Stärken/Talenten. Nika hat sicher ihre primäre Stärke in der Athletik, Lena im Wassergefühl. Nika schwimmt dadurch auch eher über die Armarbeit, Lena mehr über die Beine.

Seit letzter Saison schwimmt Lena in der L1-Mannschaft des SSKC, wobei L steht für Leistungssportsteht. Wann und wie hast Du ihre Fähigkeiten entdeckt?

Tom Ehrhardt: Lenas Fähigkeiten konnte ich in der altersmäßig direkt darunter liegenden Gruppe W1 (W steht für Weiterentwicklung, Anm. d. Red.) erkennen. Dort entwickeln Alexandra Reibenspiess und ich die Techniken und vieles mehr, wie der Name der Gruppe schon sagt, weiter für eine mögliche L1. Obwohl ich damals so ziemlich als einziger die Meinung vertrat, dass sie schon reif für die L1 ist (auch Lena war nicht von ihren Fähigkeiten überzeugt), habe ich mich auf meine Intuition und weitere Parameter verlassen. Zu diesen zählten neben ihren faktischen Wettkampfzeiten auch, wie sie sich im Wasser bewegt hat und wie sich dies dann in Schnelligkeit weiter entwickeln könnte. Auch die Einstellung und Umsetzung zu verschiedensten Aufgaben waren für mich Teil der Entscheidung.

Was ist sie für ein Typ? – sportlich/menschlich? Welche Rolle spielt sie im Team?

Tom Ehrhardt: Lena ist ein ganz normales 13-jähriges Mädchen, das in der Pubertät ist. In manchen Dingen muss man sich dabei um sie kümmern, in anderen ihr helfen, um sie auf den richtigen Weg zu bringen. Sie ist in der L1 nun angekommen. Dabei wurde sie von Sportlern und Trainern unterstützt. Ich kann mir vorstellen, dass Lena eine maßgebliche Rolle spielen wird, wenn es heißt, neue Nachrücker in die L1 zu integrieren.

Was traust Du ihr für die Zukunft zu? Gute Chancen im Lagenschwimmen? Gibt es noch Defizite?

Tom Ehrhardt: Lena soll einfach die Reise genießen. Das primäre Ziel ist, wie für jeden unserer Sportler, Bestzeiten zu schwimmen. Das ist auf einem gewissen Level schwierig genug. Sie ist in allen vier Schwimmarten gut ausgebildet. Hierauf achten wir generell im Poseidon, schon in den Trainingsgruppen des Unterbaus. Defizite, oder besser Potenziale gibt es jedoch immer. Dass ich mal nichts zu meckern habe, kommt selten vor (lacht).

Heinz Grasmann